2024 Juli 08

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Interview mit Mannschaftspsychologe Hans-Dieter Hermann zur Euro 2024

von Marion Gissing

Deutschlands bekanntester Sportpsychologe

Er hatte einen wichtigen Job bei der Fußball-EM 2024: Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann, Deutschlands bekanntester Sportpsychologe. Als „Kopftrainer“ und Team-Coach begleitete und betreute er die Nationalmannschaft während des Sommermärchens 2.0 mental. Hier erzählt er von den Schwingungen hinter den Kulissen.

Professor Hermann, Sie waren bei der Heim-EM sehr nah dran an den Spielern und ihren Emotionen. Was waren die Highlights?  
Hans-Dieter Hermann: Es gab etliche Stimmungs-Highlights! Aber etwas ganz Besonderes ist es, wenn der Mannschaftsbus auf das Stadion zufährt und nur schrittweise vorwärtskommt, weil die Fans da sind und die Spieler laut bejubeln. Und dann, wenn die Mannschaften unmittelbar vor dem Spiel aufs Feld laufen und plötzlich ohrenbetäubende Stimmung herrscht. Das waren für uns alle Gänsehautmomente, die dem Glückgefühl eines eigenen Tores sehr nahekommen.

Randvolle Stadien, riesiger Erfolgsdruck, stressige Medienpräsenz: Nicht jeder ging vermutlich gleich gut mit den Anforderungen der EM um. Funktionierte das Team auch jenseits des Spielfelds gut?
Hans-Dieter Hermann: Ja, gerade auch außerhalb des Platzes war die deutsche Mannschaft ein starkes Team. Das konnte man sehen, aber auch spüren. Schon die Turniervorbereitung war von einem großartigen Miteinander geprägt, nicht nur bei den Teambuildings. Wir beobachteten es beim Kommunikationsstil und auch beim Spaß, den die Jungs miteinander hatten. Ein wichtiger Indikator war für mich, dass sich nicht alles nur um die Stammspieler drehte. Auch die Ersatzspieler fanden ihre Anerkennung und ihren Platz. Gehen Sie aber nicht davon aus, dass sich alle 26 Männer ständig als Gesamtgruppe bewegten. Die freie Zeit außerhalb des Trainings und der Spiele wurde unterschiedlich genutzt. Manche waren eher beim Tischtennis oder Dart-Spielen anzutreffen, andere gingen zum Golfen oder Yoga, und manche zogen sich zurück, weil sie die Ruhe suchten.

Welche Rolle spielten die Partnerinnen und Familien zwischen den Spielen? 
Hans-Dieter Hermann: Nach den Spielen kamen wir mitten in der Nacht wieder auf dem Adidas Homeground an. Wenn wir fünf oder sechs Tage bis zum nächsten Einsatz hatten, kamen am Morgen danach die Familien und Freundinnen unserer Spieler für eineinhalb Tage zu Besuch. Ein unglaublicher Gegensatz zur Trainings-, Besprechungs- und Regenerationsatmosphäre, die sonst vorherrschte! Sonst tragen im Trainingscamp alle Beteiligten einheitliche Kleidung. Da viele der Spieler Kinder haben, verwandelte sich unser Camp in ein buntes, bewegtes Miteinander, man hörte tagsüber nur noch Kinderstimmen. Alle waren glücklich über diesen kurzzeitigen Szenenwechsel, bevor man sich wieder tagelang mit voller Konzentration auf den nächsten Gegner vorbereitete.

Gab es trotz des fantastischen Laufs bei diesem Turnier auch Situationen, in denen die Akteure in Stimmungstiefs gerieten?
Hans-Dieter Hermann: Nein. Verständlicherweise gab es kurzzeitig Enttäuschungen bei einzelnen Spielern, wenn sie beispielsweise erfuhren, dass ihr erhoffter Startelf-Einsatz nicht klappte und sie auf der Bank platznehmen mussten. Aber sie haben es nicht gezeigt, sondern die anderen angefeuert. Die Spieler unserer Bank waren während der Spiele äußerst aktiv und haben die Kollegen von außen gepusht.

Der Traum vom Finale ist dennoch geplatzt. Können Sie die Resilienz der Spieler nach einer solchen Niederlage stärken?
Hans-Dieter Hermann: Dafür ist nach einem solchen Spiel leider keine Zeit mehr. Es geht wieder mitten in der Nacht zurück ins Basecamp, dort isst man noch gemeinsam. Die meisten bleiben noch sitzen und plaudern, da sie ohnehin nicht schlafen können. Es gibt einen kurzen Nachtschlaf, Frühstück, kleine Ansprachen, herzliche Verabschiedungen – und dann fahren alle wieder nach Hause. Wer kann, versucht den Urlaub vorzuverlegen und direkt zu verreisen. Die gesamte Mannschaft – Spieler, Trainer und das Team hinter dem Team – löste sich also nach dem Spanienspiel rasch auf, nachdem wir wochenlang zusammen gewesen waren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mit Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann arbeitet die Econ Referenten-Agentur seit mehr als zehn Jahren zusammen. Auch wenn die Fußball-EM 2024 sein letzter Einsatz fürs deutsche Nationalteam war: Der Psychologe wird weiterhin als Firmen-, Führungskräfte-und Einzelcoach sowie als Vortragsredner tätig sein. Seine Erfolgsrezepte vermittelt der „Leistungsoptimierer im Hintergrund“ anekdotenreich und authentisch.

Wenn Sie Hans-Dieter Hermann für Ihre Veranstaltung als Redner anfragen möchten, rufen Sie uns an unter +49 89 5472619-0 oder mailen Sie uns.

Das Interview führte Katja Volkmer, Redakteurin und freie Mitarbeiterin der Econ Referenten-Agentur.

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